Pressemitteilung Nr. 10 vom 2. März 2018Fake News vs. Wahrheit: Wie glaubwürdig sind unsere Medien?
Die Handwerkskammer setzte am Donnerstagabend ihre Veranstaltungsreihe zu wirtschaftspolitischen und ethisch-gesellschaftlichen Fragen fort – mit einem Thema, das seit Donald Trump (noch mehr) die Gemüter erhitzt: Fake news und die Glaubwürdigkeit der Medien.
Mögliche Assoziationen und Querverweise sind vielfältig; man denke nur an die bei der Begrüßung von Präsident Andreas Ehlert zitierte besorgte Stimme von Papst Franziskus zum Thema Soziale Medien – der gleiche Papst, der einen überaus erfolgreichen Twitter-Account betreibt. Es gibt die technische Seite von Verfügbarkeit von Informationen und damit Teilhabe an Meinungsbildung, rechtliche Fragen – Gegenstand des jüngst teils heftig kritisierten „Netzwerkdurchsetzungsgesetzes“ – oder Umgang mit dem Datenschutz bis hin zur politischen Debatte, bei der gefährliche Entwicklungen bis hin zur Manipulation und Bedrohung der Demokratie befürchtet werden. Kurz: eine gesellschaftliche Debatte, die alle angeht.
Um diesen Fragen, die mit der Glaubwürdigkeit und nicht zuletzt dem Auftrag von Medien verbunden sind, auf den Grund zu gehen und aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, hatten sich die Kammer und ihr langjähriger Kooperationspartner, das ASG-Bildungsforum, profilierte Experten ins Haus geholt:
Jonas Bedford-Strohm, evangelischer Theologe und Journalist, der an der Hochschule für Philosophie in München zu Medienethik forscht, ging bei der Einführung in das Thema zunächst anhand der Erfahrungen aus dem amerikanischen Wahlkampf auf den Einfluss sozialer Medien (‚wichtig, aber nicht dominant‘) ein. Auch der zu wenig beachtete kulturelle Kontext sei mit ein Grund dafür, dass die Wirkung und Verbreitung von Fake news oft überschätzt werde. Unzweifelhaft ist dagegen, dass die Grundlage von Fake news in der Polarisierung liegt, indem dieser als „Kampfbegriff“ gegenüber anderen Gruppen verwendet wird. Folge: ein geschlossenes Weltbild, dem Bedford-Strohm, der sich auch im Zentrum für Ethik der Medien und der digitalen Gesellschaft engagiert, mit verstärkten Faktenchecks begegnen will. Solche von ihm geforderte Medienkompetenz wünscht er sich auf verbreiterter Basis – wenige Journalisten und einzelne Leitmedien reichten nicht mehr.
Auch Dr. Reiner Burger, NRW-Korrespondent der F.A.Z, warb darum, unscharfe Begriffe zu vermeiden und stattdessen Propaganda, Lüge, Irrtum und Fehler klar zu benennen. Denn wie er an vielen Beispielen zeigte, sind Fake news keineswegs ein neues Medienphänomen, – das Aufkommen des Internets, dass die klassischen Medien in eine Krise stürzte, verstärkte es nur zu einem Mega-Thema. In der Ambivalenz des neuen Mediums, geeignet zur Aufklärung wie zur Desinformation oder sogar zur „totalitären Bevölkerungsüberwachung“, in der Problematik einer „Aufmerksamkeitsökonomie“, bei der die Wahrheit eine untergeordnete Rolle spiele, oder auch wie die Demokratie in postfaktischen Zeiten durch „opportune Narrative“ geprägt werden, sind für ihn ein Zeichen einer Verschiebung, die wir aktuell erleben. Gleichzeitig identifizierte Burger, der sich erwartungsgemäß gegen die pauschale Einschätzung „Die Medien sind’s Schuld“ wehrte, eben die traditionellen Medien am Ende als Gewinner der Fake news-Debatte.
Dass diese zuletzt in allen Studien und Erhebungen wieder an Glaubwürdigkeit gewonnen haben, bestätigte auch Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner (Mentefactum). Hier manifestiere sich eine „Sehnsucht nach Vertrauen“, Zeichen dafür, dass wir uns in einem Übergang – immer einer Zeit größter Unsicherheit –, befinden. Dies machte er fest an empirisch messbaren Entwicklungen: Fortschreitende Meinungspluralität und Beliebigkeit statt fester Wertesysteme, Kenntnisdefizite, die zu mangelnder Urteilsfähigkeit führte oder beispielsweise das stark abgenommen politische Interesse. Informationsüberschuss, Schnelligkeit und Tendenzen zur Personalisierung und Inszenierung setzte er die Forderung nach Sensibilisierung und Fakten-Checks entgegen.
Der Einrichtung von „Sanktionsinstanzen“ wurde wiederum durch die journalistischen Vertreter eine Absage erteilt, mit dem Argument, dass es eben keine „letzten Wahrheiten“ gebe und die Presse als vierte Gewalt gemäß Grundgesetz der Garant eines demokratischen Diskurses sei, in welchem man sich „immer wieder neu verständigen muss.“ Ob es in den nächsten Jahren gelingt, diesen Diskurs so zu organisieren, dass alle Akteure – Medien wie Nutzer - sich angemessen beteiligen können und vor allem Jugendliche die notwendige Medienbildung genießen können, wurde auch in den anschließenden Fragen aus dem mit rund 200 Gästen vollbesetzten Plenum noch lebhaft und engagiert diskutiert.