Liste der Stoffrichtwerte in der Innenraumluft erweitert
Während für die Arbeitsplatzbelastung durch Gefahrstoffe Grenzwerte im Geltungsbereich der Gefahrstoffverordnung festgelegt sind, gibt es diese für die Belastung der Innenräume in privaten und öffentlichen Gebäuden sowie Bürogebäuden nicht. Die Belastung von Innenräumen ist auf die Ausgasung flüchtiger Stoffe aus Baumaterialien und Gebrauchsgegenständen sowie Farben und Bauverarbeitungsmitteln zurückzuführen. Während die Grenzwerte für Einzelsubstanzen und Substanzgruppen in den Baumaterialien geregelt sind, werden für die Konzentration einzelner Stoffe in der Innenraumluft Richtwerte angegeben.
Die Richtwerte werden über die Ad-hoc-Arbeitsgruppe, die aus Mitgliedern der Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK) beim Umweltbundesamt (UBA) sowie der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) besteht, festgelegt.
Es wird zwischen zwei Richtwert-Kategorien, Richtwert I und II, unterschieden.
Richtwert I gibt einen Vorsorge-Richtwert für die Konzentration eines Einzelstoffes an, bei dem keine gesundheitlichen Schäden zu erwarten sind, unabhängig von der Dauer der Belastung. Dies gilt allerdings ausschließlich für den jetzigen wissenschaftlichen Kenntnisstand.
Richtwert II entspricht der Konzentration eines Einzelstoffes, bei der eine Gesundheitsgefährdung für empfindliche Personen besteht. Dabei stellt er einen wirkungsbezogenen Wert dar, der sich auf toxikologische und epidemiologische Daten stützt. Je nach Wirkungsweise wird der Kurzzeitwert für eine temporäre Exposition (RW II K) oder der Langzeitwert für eine länger andauernde Exposition (RW II L) angegeben.
In der vom UBA veröffentlichten Übersicht sind zurzeit die Richtwerte von 13 Einzelsubstanzen und 5 Substanzgruppen angegeben. In 2011 wurde die Liste der Innenraumluft-Richtwerte um die Einzelstoffe Phenol, 2-Furaldehyd und die Stoffgruppe zyklische Dimethylsiloxane erweitert.
Phenol
Phenol ist ein aromatischer Kohlenwasserstoff, wobei ein Wasserstoff durch eine Alkoholgruppe (-OH) ersetzt ist. Die Toxikologische Wirkung zeigt sich in Blut-, Leber- und neurologischen Schäden (Tierexperiment und Humanstudien). Weiterhin wird es als erbgutschädigende Substanz der Kategorie 2 (gemäß Einstufung nach dem „Globally Harmonized System“ GHS) eingestuft. Es wird sowohl über die Atemwege als auch über die Haut und dem Darm aufgenommen. Erhöhte Phenolkonzentrationen in Innenräumen werden in erster Linie über den Abbrand von Zigaretten und andere Verbrennungsprozessen verursacht. Der Richtwert II wurde mit 0,2 mg/m3, der Richtwert I wird durch Division des Richtwertes II durch 10 mit 0,02 mg/m3 festgelegt.
2-Furaldehyd
2-Furaldehyd (Synonyme: Furfural, 2-Furylmethanal, Formylfuran, etc.) hat zwei funktionelle Gruppen, ein aromatischer, fünfgliedriger Ring mit einem Sauerstoffatom und eine Aldehydgruppe. Er bildet sich beim Erhitzen von Kohlehydraten und ist natürlicherweise in ätherischen Ölen wie Kampfer, Lavendel oder Zitronen enthalten.
Die durchschnittliche Belastung der Innenraumluft durch 2-Furaldehyd konnte mit 1 μg/m3 in einer Studie ermittelt werden. Diverse Studien zeigten, dass 2-Furaldehyd Veränderungen im nasalen und pulmonalen Gewebe hervorruft. Erbgutschädigende oder krebserregende Eigenschaften können derzeit nicht verifiziert werden. Trotzdem wird es nach CLP-GHS-Verordnung (regelt die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen) als krebserzeugend der Kategorie 2 eingestuft.
2-Furaldehyd ist in vielen Bauprodukten, wie z.B. Acryl- und Silikondichtmassen, Holzwerkstoffen, Kunstharzfertigputzen, Lacken, Wandfarben oder in Klebstoffen enthalten. Auch in Korkparkettbelägen konnte es nachgewiesen werden. Der Richtwert II wurde mit 0,1 mg/m3 und der Richtwert I mit 0,01 mg/m3 festgesetzt.
Zyklische Dimethylsiloxane
Zyklische Dimethylsiloxane sind ringförmige Silizium-Sauerstoffverbindungen mit organischen Resten. Sie bestehen aus drei oder mehr Dimethylsiliziumoxid-Einheiten und erhalten entsprechend der Anzahl der Einheiten den Zusatz D3-D6. Als leicht flüchtige Substanzen werden sie über die Atmung in den Körper eingetragen. Über die Aufnahme von ringförmigen Siloxanen über die Haut ist die Datenlage noch nicht ausreichend, um konkrete Aussagen treffen zu können. Ergebnisse aus Tierexperimenten zeigen, dass zyklische Siloxane Entzündungen der Atemwege bis hin zu chronischen Entzündungen verursachen können. Humanstudien liegen derzeit nicht vor. Aus Tierexperimenten ist eine krebsverursachende und fortpflanzungsbeeinträchtigende Wirkung anzunehmen. Nach CLP-GHS-Verordnung wird das zyklische Dimethylsiloxan mit 4 Einheiten (D4) als fruchtbarkeitsschädigend der Kategorie 2 eingestuft.
Zyklische Dimethylsiloxane sind in vielen Kosmetik- und Reinigungsmitteln sowie in Gebrauchsgegenständen wie Babyschnullern und Backformen enthalten. Aber auch in Bauprodukten wie Fugendichtmassen, Farben, Lacken oder Textilien sind sie zu finden. Der Summenrichtwert II für D3-D6 wurde mit 4mg/m3 festgesetzt, der Summenrichtwert I mit 0,4 mg/m3.
Im Allgemeinen kann angeraten werden, dass bei Überschreiten des Richtwertes I für die jeweilige Einzelsubstanz Handlungsbedarf, z. B. über technische und bauliche Maßnahmen aber auch über das Lüftungsverhalten des Nutzers, besteht. Nur so können gesundheitliche Schäden für den Raumnutzer abgewendet werden.
Eine vollständige Liste der mit Richtwerten belegten Einzelsubstanzen und Stoffgruppen sowie weiterführende Informationen sind beim Umweltbundesamt abrufbar.