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Inverkehrbringen alter Farben und Lacke ist mögliche Straftat

Lösemittelhaltige Farben- und Lack-Verordnung begrenzt VOC-Gehalte!

Wer jetzt noch Farben und Lacke für den Einsatz „an und in Gebäuden“ an Kunden abgibt, muss aufpassen. Gebinde mit alter Kennzeichnung oder unzulässig hohen Lösemittelanteilen widersprechen den aktuellen Vorschriften und dürfen nicht mehr an private oder gewerbliche Verbraucher abgegeben werden.

Jeder Vertreiber „alter“ Produkte setzt sich einem hohen Risiko aus. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Farben verkauft oder dem Kunden vor Ort Farbreste „geschenkt“ werden. Im schlimmsten Fall ermittelt der Staatsanwalt wegen einer Straftat!

Farben und Lacke zur Beschichtung von Gebäuden, deren Bauteilen und dekorativen Bauelementen dürfen von bestimmten Stichtagen an nicht mehr verkauft werden, wenn sie nicht die Vorgaben der ChemVOCFarbV (Lösemittelhaltige Farben- und Lack-Verordnung) einhalten. Die Verordnung regelt Kennzeichnungspflichten sowie Obergrenzen für die Gehalte an flüchtigen organischen Verbindungen (VOC = Volatile Organic Compounds). Diese müssen verbindlich eingehalten werden. Stichtage für die Lösemittelreduzierung waren der 01.01.2007 bzw. der 01.01.2010 – jeweils mit zeitlich gestaffelten Anforderungen an die VOC-Gehalte.

Produkte, die zuvor hergestellt worden waren und die neuen Anforderungen an die VOC-Gehalte noch nicht erfüllen, durften nur noch bis zu zwölf Monate nach diesen Stichtagen an Kunden abgegeben werden – also längstenfalls bis zum 13.12.2010. Seit Anfang 2011 ist die Abgabe also verboten.

Bereits der Versuch ist strafbar. Wenn ein nicht (mehr) zulässiges Produkt im Ladenlokal zum Verkauf ausgestellt ist, dürfte dies bereits als versuchtes Inverkehrbringen zu werten sein.

Wer ein Produkt entgegen der ChemVOCFarbV vorsätzlich oder fahrlässig nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig mit einem Etikett versieht, begeht eine Ordnungswidrigkeit.
Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

Worum geht es insgesamt?

Bei den VOC handelt es sich im Wesentlichen um Lösemittel; allerdings gibt es wegen der unterschiedlichen Definition auch VOC, die nicht als Lösemittel gelten.

VOCs tragen wesentlich dazu bei, bodennahes Ozon zu bilden. Sie sind damit eine bedeutsame Ursache für gesundheitsbelastende Luftverschmutzung. Deshalb beschäftigt sich der Gesetzgeber mit diesen Stoffen, um die Freisetzung von VOC in die Atmosphäre zu vermeiden oder zu verringern.

Viele technische Produkte und Verfahren können jedoch nicht vollständig auf VOCs verzichten. Stattdessen sollen technische Entwicklungen vorangetrieben werden, um den notwendigen VOC-Anteil in verwendeten Produkten immer weiter abzusenken. Hierzu werden die Hersteller in die Pflicht genommen. Doch auch gewerbliche und private Anwender sollen für die VOC-Problematik sensibilisiert werden und erkennen können, wie viel VOC in einem Produkt steckt.

Dort, wo VOC-haltige Produkte in der Produktion oder im betrieblichen Umfeld verwendet werden, gilt das Immissionsschutzrecht.

Parallel erfasst das Chemikalienrecht Beschichtungsstoffe für Innenwände und Decken sowie Außenbeschichtungsstoffe für Mauerwerk, Backsteinwände oder Gipswände. Ebenfalls betroffen sind Beschichtungsstoffe für Gebäudedekorationen und -verkleidungen (Innen und Außen) sowie weitere Unterkategorien. Eine abschließende Auflistung enthält die ChemVOCFarbV.

Zum rechtlichen Hintergrund

Die EU-rechtlichen Vorgaben der VOC-Richtlinie sind in Deutschland durch verschiedene nationale Rechtsvorschriften umgesetzt worden, die ineinander greifen. EU-Richtlinien gelten in den einzelnen Nationalstaaten nicht unmittelbar. Sie müssen innerhalb festgesetzter Fristen erst in nationale Rechtsvorschriften überführt werden.

Richtlinie 1999/13/EG und 31. BImSchV

Die erste Rechtsvorschrift der EU zur VOC-Problematik war die RICHTLINIE 1999/13/EG DES RATES („über die Begrenzung von Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen, die bei bestimmten Tätigkeiten und in bestimmten Anlagen bei der Verwendung organischer Lösungsmittel entstehen“) vom 11. März 1999, zuletzt geändert am 21. April 2004.
Die Richtlinie 1999/13/EG wird umgangssprachlich als „VOC-Richtlinie“ bezeichnet und gehört der Systematik nach ins Immissionsschutzrecht.

Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte über die 31. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – 31. BImSchV („Verordnung zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen bei der Verwendung organischer Lösemittel in bestimmten Anlagen“) vom 21. August 2001.

Die 31. BImSchV regelt zwar die Verwendung VOC-haltiger Zubereitungen für gewerbliche Zwecke, beschränkt diese Regelungen aber auf bestimmte Branchen und Tätigkeitsbereiche.

Sie macht aber keine Vorgaben zu den hergestellten Produkten, sondern regelt lediglich den Herstellungsprozess. Daher sind von dieser Verordnung nur die Hersteller von Anstrich- oder Beschichtungsstoffen sowie von Bautenschutz- oder Holzschutzmitteln betroffen, Sie als Verwender und Endvertreiber jedoch nicht.

RICHTLINIE 2004/42/EG und ChemVOCFarbV

Um die gesetzlichen Regelungen auch auf die VOC-Gehalte weiterer Produkte auszuweiten und dafür Grenzwerte festzulegen, hat die EU im Jahr 2004 die RICHTLINIE 2004/42/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES („über die Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen aufgrund der Verwendung organischer Lösemittel in bestimmten Farben und Lacken und in Produkten der Fahrzeugreparaturlackierung sowie zur Änderung der Richtlinie 1999/13/EG“) vom 21. April 2004 nachgeschoben.

Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte im Jahr 2004 durch die Lösemittelhaltige Farben- und Lack-Verordnung – ChemVOCFarbV („Chemikalienrechtliche Verordnung zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen (VOC) durch Beschränkung des Inverkehrbringens lösemittelhaltiger Farben und Lacke“).

Damit sind die Anforderungen an die Farben und Lacke nicht im Immissionsschutzrecht geregelt, sondern im Chemikalienrecht, was insbesondere zu einer anderen Behördenzuständigkeit führt. Neben den VOC-Grenzwerten wurden zugleich auch Kennzeichnungsvorschriften eingeführt. Die ChemVOCFarbV ist damit die zentrale Rechtsvorschrift für die von Ihnen verwendeten und verkauften Farben und Lacke.

Besonders wichtig sind für Sie die §§ 3 (Verbote) und 4 (Kennzeichnung), § 6 (Ordnungswidrigkeiten) und § 7 (Straftaten).

Der Anhang I regelt in einer umfassenden Liste, welche „Farben und Lacke zur Beschichtung von Gebäu­den, ihren Bauteilen und dekorativen Bauelementen“ von der Verordnung erfasst werden.
Der Anhang II regelt die Grenzwerte für den VOC-Höchstgehalt sowie die zugehörigen Fristen.

Nach Anhang II gelten zu den Stichtagen 01.01.2007 und 01.01.2010 jeweils unterschiedliche Grenzwerte. Produkte, die vor diesen Stichtagen hergestellt wurden, dürfen jeweils noch bis zu 12 Monate später in Verkehr gebracht werden.

Zuständigkeit für den Vollzug

Da das Chemikalienrecht dem Arbeitsschutzrecht nachgeordnet ist, ergeben sich die behördlichen Zuständigkeiten aus der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Arbeits- und technischen Gefahrenschutzes (ZustVO ArbtG) vom 13. November 2007.

Grundsätzlich ist die staatliche Arbeitsschutzverwaltung – konkret die Bezirksregierungen – für den Vollzug der ChemVOCFarbV zuständig. Allerdings sieht der Anhang III Ausnahmen vor. Zu diesen Ausnahmen zählen auch folgende Verwaltungsaufgaben im Hinblick auf Einzelhandelsbetriebe:

  • Überprüfung der Einhaltung der Verbote zum Inverkehrbringen (Einhaltung der Grenzwerte unter Verwendung vorgeschriebener Analyseverfahren nach § 3 Abs. 1 ChemVOCFarbV)
  • Überprüfung der Kennzeichnung der in Anhang I aufgeführten gebrauchsfertigen Produkte nach § 4 ChemVOCFarbV.

Da der Verkauf von Farben und Lacken im Ladenlokal dem Einzelhandel zuzurechnen ist, sind insofern die Kreisordnungsbehörden zuständig.

Betroffen sind dabei alle Handwerksbetriebe, die Beschichtungsstoffe für Innenwände und Decken sowie Außenbeschichtungsstoffe vertreiben. Dies gilt in besonderem Maße für solche Betriebe, die die genannten Produkte im eigenen Ladenlokal ausstellen und verkaufen.

Deshalb sollte der Lagerbestand auf „alte Schätzchen“ gecheckt werden, die nicht mehr abgegeben oder angeboten werden dürfen.

Links:

ChemVOCFarbV (Lösemittelhaltige Farben- und Lack-Verordnung)

31. BImSchV (Verordnung zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen)

Lösemittelarme Lacke für Maler und Lackierer (Umweltbundesamt)

Emissionsarme Wandfarben mit „Blauem Engel“ (RAL RAL-UZ 102)

ZustVO ArbtG (Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Arbeits- und technischen Gefahrenschutzes)