Das Handwerk stellt sich den Herausforderungen.Nach 1945: Industrielle und digitale Revolution
Die „industrielle Revolution" erwies sich als eine der einschneidendsten Zäsur in der Produktionsgeschichte des deutschen Handwerks. Ende des 20. Jahrhunderts sieht sich man sich einer neuen, mindestens ebenso großen Herausforderung gegenüber.
Abwehr, Abscheu, mitunter sogar Angst. So oder ähnlich lassen sich typische Reaktionsweisen von Handwerkern beschreiben, die sich im 19. Jahrhundert einer nie da gewesenen Herausforderung gegenübersahen. Die „industrielle Revolution" erwies sich ebenso schnell wie unbarmherzig als die einschneidendste Zäsur in der Produktionsgeschichte des deutschen Handwerks.
Anpassungsfähigkeit war unverzichtbar. Zugestanden, Möglichkeiten gab es: das Ausweichen mittels Spezialisierung wie bei den Dekorateuren oder den Fliesenlegern, die Verlagerung von der Produktion auf die Reparatur wie bei den Schuhmachern, die Kombination von Herstellung und Vertrieb wie bei den Modisten oder auch die beachtliche Nische des Kunsthandwerks. Jedoch nahmen viele Menschen eher die Bedrohungen wahr denn die Chancen. Franz Schnabel brachte dafür 1934 in seiner „Geschichte des 19. Jahrhunderts" Verständnis auf: „Man vergaß, dass zur Lösung aus alten Verhältnissen in einer vorwärtsschreitenden Zeit neben dem immer notwendigen Glück nicht nur der gute Wille, nicht nur Fleiß, Arbeitsamkeit, Sparsamkeit und Unternehmungsgeist gehörten. Hier waren allerdings auch Qualitäten andern Ranges nötig - die Fähigkeit, mit alten Traditionen zu brechen, die Menschen rücksichtslos einzusetzen als Instrumente, die Sicherheit des Ererbten und die Ruhe der Familie an eine immer ungewisse Zukunft zu wagen."
Dass es gelang, diese Hemmnisse und Berührungsängste abzubauen, daran hatte auch die Handwerkskammer Düsseldorf ihren respektablen Anteil. Im April des Jahres 1900 gegründet, sah sie sich von Beginn an - neben ihren hoheitlichen Tätigkeiten und der politischen Interessenvertretung - den Bedürfnissen ihrer mehr als 40.000 Mitgliedsbetriebe verpflichtet. Mittels zahlreicher Maßnahmen zugunsten der Bildung handwerklicher Organisationsstrukturen (Innungen, Genossenschaften), aber auch der Wirtschaftsförderung oder der Bildungsförderung, schaffte sie es, traditionelle Feindbilder aufzubrechen. So erachtete die Handwerkskammer schon 1901 die „in gewissen Kreisen mit Vorliebe erhobene Klage, als ob die Industrie der natürliche und größte Feind des Handwerks sei", als „in so allgemeiner Form nicht zutreffend". Auch plädierte sie erfolgreich für eine stärkere, jedoch mit Augenmaß vorzunehmende Maschinisierung im Handwerk. Der Kammersyndikus Josef Wilden im Jahre 1914: „... wie man ehedem die Maschine als die ärgste Feindin gehasst hatte, ja geradezu ihre Benutzung durch den Staat verboten wissen wollte - weil sie das Handwerk vernichte - so preist man sie jetzt wieder als die Spenderin neuen Glückes."
Ende des 20. Jahrhunderts sieht sich das Handwerk einer neuen, mindestens ebenso großen Herausforderung gegenüber - der „digitalen Revolution". Die dauerhafte Existenz vieler Handwerksbetriebe wird in zunehmendem Maße auch vom Einsatz moderner Kommunikationstechniken abhängen: „Computer, Internet, E-Mail, Handy und die Maus", so lauten die Schlagworte, die den unaufhaltsamen Weg des Handwerks in die Dienstleistungsgesellschaft begleiten.
All dessen wird der Handwerker bedürfen, sonst läuft er Gefahr, trotz aller Anstrengungen stets nur den Platz des Hasen, nie den des Igels zu erringen. Der Verbraucher erwartet heute nicht mehr nur traditionelle Qualitätsarbeit, sondern darüber hinaus eine ebenso offensive wie kreative „Ansprache", die Kenntnis der zahlreichen Vorschriften, den Einsatz modernster Technik und nicht zuletzt eine gewerkeübergreifende Kooperation. Die Renovierung eines Hauses „im Paket", das Durchspielen verschiedener Szenarien mit dem Kunden am PC schon vor der Realisierung - eher (schon) Gegenwart als (noch) Zukunft.
Erneut ist es für die Handwerkskammer Düsseldorf selbstverständlich, ihre Mitglieder in diesem Prozess zu begleiten und mögliche wie durchaus auch vorhandene Berührungsängste abzubauen. Dabei stehen ihre Anstrengungen in einer beachtlichen Linie der Kontinuität, hat es die Kammer doch stets als eine ihrer Kernaufgaben angesehen, ihre Mitglieder für deren jeweilige Herausforderungen zu rüsten.
Mit der Einrichtung kammereigener Betriebsberatungsstellen 1956 oder mit der Gründung der größten deutschen „Gewerbeförderungsanstalt" (GFA) 1960 liegen wichtige Ansätze dieser Entwicklung schon in der Ära des Altpräsidenten Georg Schulhoff. Seit Mitte der achtziger Jahre jedoch lässt sich - in Verbindung mit einem Generationenwechsel an der Kammerspitze - gleichsam eine entsprechende Programmatik ausmachen. Der amtierende Kammerpräsident Hansheinz Hauser sowie Hauptgeschäftsführer Gerd Wieneke beschritten konsequent den Weg „von der Behördenkammer zur Dienstleistungskammer".
Jeder Mitgliedsbetrieb kann heute aus einer breiten Palette von Beratungs-, Bildungs- und sonstigen Leistungen auswählen. Dabei reagiert die Handwerkskammer Düsseldorf nicht nur quantitativ auf die jeweiligen Herausforderungen, sondern sie erschließt ihren Mitgliedsbetrieben in vielfältiger Weise Neuland. Dies wird unter anderem in verschiedenen Neugründungen deutlich, zum Beispiel mit dem 1990 eingerichteten „Zentrum für Umweltschutz und Energietechnik" (UZH) in Oberhausen. Hier bringen die Handwerker ihre Kenntnisse auf den neuesten Stand, sei es im Umwelt- und im Arbeitsschutz oder auch in der Energietechnik.
Die Kammer offeriert auf verschiedensten Feldern ihren Mitgliedern die jeweils neuesten Techniken, z. B. eine Kfz-Werkstatt mit modernster Prüfdiagnostik, ein „Zentrum für digitale Fotografie" oder auch das „Multimedia-Forum". Die Handwerkskammer Düsseldorf - ein Motor des Fortschritts für das gesamte Handwerk.
von Dr. Werner Mayer