Standpunkt "Schadstoffe in Innenräumen"
Der Fachbereich Bau im Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e.V. (BVS) Bayern hat als Ergebnis von Diskussionen in Arbeitskreisen ein Standpunktpapier zu „Schadstoffen in Innenräumen“ in der Ausgabe 3-2011 veröffentlicht. Inhaltlich soll das Papier als Richtschnur bei Bewertungen und Beurteilungen von Innenraumschadstoffen genutzt werden, genau an den Stellen an denen vorhandene Regelwerke nicht mehr greifen.
Generell sind die Ursachen für eine Schadstoffbelastung in Innenräumen in den immer dichter werdenden Gebäudehüllen bei gleichzeitig zu geringer Luftwechselrate zu suchen. So reichern sich chemische Stoffe, die aus Baumaterialien, Gebrauchsgegenständen sowie Reinigungs- und Pflegemitteln ausgasen, in der Innenraumluft an. Auf der anderen Seite können nicht gewartete raumlufttechnische Anlagen eine Kontaminationsquelle für mikrobiologisch bedingte Schadstoffe in die Innenraumluft sein. Ein weiteres Problem stellt die nicht abgeführte oder baulich bedingte Feuchtigkeit in Innenräumen dar. Feuchte Stellen bieten Mikroorganismen, wie z. B. Schimmelpilzen, einen optimalen Lebensraum.
Ist die Luftqualität in den Innenräumen nicht angemessen, so können gesundheitliche Beeinträchtigungen des Nutzers resultieren. Dadurch ergeben sich für Planer und am Bau Beteiligte haftungsrechtliche Konsequenzen. Die Vorsorgepflicht für Bauträger, Immobilienverwalter und Investoren nimmt erheblich zu.
Anforderungen an die Luftqualität in Innenräumen sind bis heute nicht allgemein verbindlich festgelegt, auch wenn für einige Schadstoffe Richtwerte angegeben sind. Hier empfiehlt der BVS Bayern den §8 der alten Arbeitsschutzverordnung als Vorgabe für die Innenraumluftgüte zu nutzen, der zusammenfassend besagt: Die Innenraumluft sollte weitgehend der Außenluft entsprechen. Weiterhin ist dem Standpunktpapier eine Übersicht praxistauglicher Verordnungen und Schriften zu entnehmen, an denen sich Planer und Bauunternehmer orientieren können.
Die Stellungnahme bietet zudem konkrete Handlungsvorschläge, was die Untersuchungsstrategie, den Umfang der Untersuchungen, die Probenahme und die Laboranalytik betrifft. Bei der Komplexität der möglichen Einflussfaktoren – bauliche, nutzerbedingte, etc. - auf die Innenraumluftqualität, wird generell eine Übersichtsanalyse sowie eine auf den jeweiligen Einzelfall angepasste Sofortmaßnahme zum Schutz der Gesundheit des Nutzers und der Sanierer angeraten. Auch werden Tipps zur Probenahme von Raumluft und Hausstaub gegeben, um anschließend eine möglichst rechtssichere Aussage zur Schadstoffbelastung geben zu können.
In dem Empfehlungspaket des BVS Bayern sind neben dem Fortbildungsaufruf vor allem prophylaktische, bautechnische Handlungsempfehlungen sowie Tipps zur Vorgehensweise im Schadensfall enthalten. Abschließend ruft der Arbeitskreis alle, an dieser Thematik Involvierten, zur fachübergreifenden Zusammenarbeit und zur Vernetzung auf, um einen sachgerechten Umgang mit Innenraumschadstoffen sichern zu können.
Anmerkung
Der BVS Bayern weist ausdrücklich darauf hin, dass Kritik und Anregungen an dem Standpunktpapier sowie auch positive Rückmeldungen willkommen sind. Weiterhin macht er darauf aufmerksam, dass andere öffentlich-rechtliche Vorschriften mit höheren Anforderungen Vorrang vor dem Standpunktpapier haben.
Hinweise zur Analytik von Gebäudeschadstoffen
Die Innenraumschadstoffe können in zwei große Gruppen – die rein chemischen und die mikrobiologischen Belastungen – unterteilt werden.
Die rein chemischen Innenraumschadstoffe werden wiederum in vier Verbindungsklassen unterteilt:
- Sehr flüchtige organische Verbindungen (VVOC) bis zu einem Siedepunkt von 50°C, wie z. B. die Lösemittel Aceton und Formaldehyd.
- Flüchtige organische Verbindung (VOC) mit einem Siedebereich zwischen 50°C bis ca. 200°C, wie z. B. Alkohole, Ester, Terpene, Alkane.
- Mittel- bis schwerflüchtige organische Verbindungen (SVOC) mit einem Siedebereich von 200°C bis ca. 350°C, wie z. B. Phthalate.
- Partikel gebundene organische Verbindungen (POM) mit einem Siedepunkt oberhalb 350°C, wie z. B. Pyrethroide.
Unter die mikrobiologischen Schadstoffe fallen Bestandteile und Produkte von Schimmelpilzen und Bakterien, die sowohl gasförmig als auch partikelartig vorkommen. Darunter fallen Stoffwechselprodukte und Zellinhaltsstoffe der Mikroorganismen sowie deren Fragmente, geruchsaktive Verbindungen, Schimmelpilzgifte (Mycotoxine), Sporenpakete, Einzelsporen, sporenbildende Bakterien und deren Giftstoffe (Exo- und Endotoxine).
Auch Agglomerate aus Staub, Nanopartikeln oder anderen Makromolekülen evtl. in Verbindung mit den chemischen und mikrobiologischen Innenraumschadstoffen können zur Beeinträchtigung der Gesundheit beitragen bzw. ursächlich dafür verantwortlich sein. Ein tatsächlicher Nachweis einer Noxe (Stoff oder Umstand, der eine schädigende Wirkung auf einen Organismus oder ein Organ ausübt) ist allerdings bei der Vielzahl an Innenraumschadstoffen kaum möglich.