10. August 2022Stark-Watzinger: "Duale und akademische Bildung sind gleichwertig."
Bei Schulabschlüssen neue Balance zugunsten des Fachkräftebedarfs nötig
„Duale und akademische Bildung sind gleichwertig. Das muss deutlicher werden. Wir wollen und müssen bei den Schulabgängern in die Hochschulen und in eine Berufsausbildung zu einer neuen Balance zurückfinden,“ kündigte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger am Dienstag bei einer virtuellen Podiumsveranstaltung mit Handwerksvertretern an. Stark-Watzinger sprach und diskutierte als Gast der Handwerkskammer Düsseldorf in deren Format „Handwerk spricht mit…“. Es gehe dabei auch darum, die beiden Bildungsschienen stärker zu verschmelzen, und „berufspraktische Könnerschaft und die Entwurfs-Kompetenz auf dem Reißbrett künftig zusammenzuführen,“ so die Ministerin.
Berufsorientierung früher, breiter intensiver
Die Berufsorientierung müsse hierfür „wesentlich früher, breiter und über alle Schulformen hinweg intensiver werden.“ Schulen sollten außerdem generell Werkräume oder 'Maker spaces' einrichten - „auch die Gymnasien“, so Stark-Watzinger. „Wir dürfen kein förderwürdiges Talent übersehen.“ Mit Blick auf eine Stärkung des dualen Ausbildungswegs kündigte Stark-Watzinger an, im Rahmen der im Koalitionsprogramm angekündigten Exzellenzinitiative Berufsbildung unter anderem die internationale Sichtbarkeit der Berufsausbildung und die Mobilität forcierter fördern zu wollen - die Ministerin nannte das EU-weite Erasmus Plus-Programm und den Berufe-Wettbewerb World skills.
„Auch Geldströme lenken Bildungsströme“, gab der Gastgeber, HWK-Präsident Andreas Ehlert, der Ministerin zu bedenken. In den Hochschulpakt des Bundes seien Milliarden an Mitteln geflossen. „Deutschland hat jedoch eine genau so starke berufliche Bildung nötig“, betonte Ehlert.
Bund will berufliche Bildungsstätten stärken
Stark-Watzinger stellte in Aussicht, beim finanziellen Engagement zugunsten der beruflichen Bildungsstätten - auch der überbetrieblichen - künftig „mehr zu machen“, verwies einschränkend allerdings auch auf die fachliche Zuständigkeit der Länder. Weitere Punkte der Regierungs-Agenda beträfen den Digitalpakt Schule, bei dem Berufsschulen bevorzugt auszustatten seien, und ein institutionelles Angebot zur Stärkung der Digital-Kompetenz des Lehrkörpers.
Ehlert dankte dem Spitzengast aus Berlin für seine in Reden und Interviews öffentlich offensiv vertretene Haltung zugunsten der Beruflichen Bildungsschiene, stellte andererseits klar, wie dringlich der politischen Handlungsbedarf in Richtung einer Bildungswende aus Sicht des Handwerks sei: Der Wirtschaftsbereich sei technischer Ausrüster der Energiewende am Gebäude und in der Mobilität, solle 400.000 neue Wohnungen pro Jahr (mit) errichten und ausstatten sowie 500.000 Wärmepumpen, und darüber hinaus seine Betriebseffizienz, Innovation und Kundenperformance digital voll entfalten. In dieser extremen Nachfragesituation fehle eine Viertelmillion Auszubildende, meldeten 40 Prozent der Handwerksunternehmen unbesetzte Stellen, verdeutlichte Ehlert Ausmaß und Konsequenzen des Personalmangels – und mahnte: „Es darf keine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Bildungssystem mehr geben. Wir brauchen den Pakt für die Lernorte des Handwerks. Der Wissenschaftler, der an Medikamenten forscht, ist für unser Land ebenso wichtig, wie die Handwerkerin, die Ladesäulen aufstellt!“
Handwerk fordert Pakt für die dualen Lernorte
Als „kontraproduktiv“ bezeichnete Ehlert das Regierungsziel einer staatlichen Ausbildungsgarantie. „In der dualen Ausbildung haben wir kein Angebots-, sondern ein Nachfrageproblem“, betonte Ehlert. Ministerin Stark-Watzinger bestätigte die Analyse, lenkte den Blick ihrerseits jedoch auf Zielgruppen mit besonderem Integrations- und Inklusionsbedarf.
In der anschließenden Diskussion machte der Präsident des Unternehmerverbands Handwerk NRW, Hans-Joachim Hering, auf eine „Flut an Bestnoten im Abitur“ bei gleichzeitig mangelhafter Berücksichtigung qualitativer Lern-Standards bei Lernzielen aufmerksam, die den Unternehmen als Defizite auffielen. Zahntechnikerin und Mitglied der Vollversammlung der HWK Marion Peiffer-Meier erfragte konkreten Rat, wie sich Eltern als wichtigste Ratgeber ihrer Kinder für den Gedanken der Gleichwertigkeit der Qualifizierungswege aufschließen ließen. Ministerin Stark-Watzinger bestätigte, es sei Aufgabe aller Akteure in diesem Handlungsfeld, die Aspekte des hochqualifizierenden Charakters der Berufsbildung und der Arbeitsplatzsicherheit auf Basis dieser Qualifikation noch nachdrücklicher herauszustellen: „Fachkraft im Handwerk: das ist Top-High-Tech-Kompetenz!“ Starkes Interesse bekundete das Kabinettsmitglied in diesem Zusammenhang an einer Ausweitung der Master Professional-Abschlüsse im Handwerk und sagte dem Präsidenten des Fachverbands Kfz NRW Frank Mund zu, den Vorstoß des Verbands und der HWK Düsseldorf zur Etablierung eines entsprechenden Aufstiegsfortbildungsgangs fürs Kraftfahrzeuggewerbe auf Förderwürdigkeit zu prüfen.
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